60 Prozent weniger Kohlendioxid als ein konventionelles Gebäude stößt der „Bank of America Tower“ in Manhattan aus. Damit wird der Wolkenkratzer zum Symbol für das jüngst erwachte Umweltbewusstsein der US-Bürger. Quell-Autorin Christine Mattauch beschreibt die innovativen Eigenschaften des Projekts. 

Für Friedensnobelpreisträger und Öko-Aktivist Al Gore ging es um Glaubwürdigkeit. Seine Firma Generation Investment Management, die in nachhaltige und klimaschonende Projekte investiert, brauchte ein neues Hauptquartier. Doch die meisten Bürogebäude in den USA sind regelrechte CO2-Schleudern – schlecht gedämmt und mit energiefressenden Klima- und Heizungsanlagen ausgestattet. Was also tun? Da entdeckte die Galionsfigur der amerikanischen Öko-Bewegung den „Bank of America Tower“ in Midtown Manhattan. Das Hochhaus gilt als der grünste Wolkenkratzer von ganz Amerika. Ein perfekter Standort für Al Gore – man unterschrieb gleich einen Mietvertrag für zehn Jahre.
Gegenwärtig wird noch an den obersten Stockwerken des Towers gebaut, dessen offizielle Adresse „One Bryant Park“ lautet. Mit 55 Etagen wird er der zweithöchste Wolkenkratzer von Manhattan sein. Mitte 2009 soll alles fertig sein, und dann wird es eine große Eröffnungsfeier geben. Doch schon heute gilt das Hochhaus als Symbol für das jüngst erwachte Umweltbewusstsein der USA. „Es muss das Ziel der amerikanischen Gesellschaft sein, dass solche Projekte nicht mehr eine Ausnahme, sondern normaler Standard sind“, wünscht sich Richard Fedrizzi, Vorsitzender der Amerikanischen Vereinigung für umweltbewusstes Bauen.
Recycling, Ressourceneinsparung, Begrünung – all das war vor wenigen Jahren in den USA höchstens für Öko-Freaks ein Thema. Jetzt nennen sich viele Neubauten „Green Building“, und bei etlichen ist es Etikettenschwindel. Der Bank of America Tower hingegen ist wirklich grün: Er stößt 60 Prozent weniger Kohlendioxid aus als ein konventionelles Gebäude. Nach Fertigstellung wird „One Bryant Park“ wohl die begehrte Platin-Auszeichnung der Amerikanischen Vereinigung für umweltbewusstes Bauen erhalten – die erste dieser Art für ein Hochhaus.

Brillante Lage, transparentes Design
Der 288 Meter hohe kristalline Tower, dessen Form an einen Vogelkörper erinnert, ist auch sonst ein außergewöhnliches Gebäude. Es beginnt mit der brillanten Lage an der 42. Straße/6. Avenue, direkt am Bryant Park, einer platanenbestandenen Oase im Herzen von Midtown. Dort stand einst der berühmte Kristallpalast, 1853 für die Weltausstellung errichtet, fünf Jahre später abgebrannt. An seinem transparenten Design haben sich die New Yorker Architekten Cook+Fox bei der Gestaltung des Turms orientiert.
Fast die Hälfte der Baustoffe ist Recycling-Material: So wurde Zement durch Flugasche ersetzt, ein Abfallprodukt der Stahlindustrie. Durch die Wiederverwendung von Grauwasser sparen die Nutzer jährlich fast 30 Millionen Liter Frischwasser. Die Toiletten sind wasserlos, sie funktionieren ähnlich wie die WCs in Flugzeugen. Die Nutzer des Gebäudes verbrauchen daher nur halb so viel Wasser wie in einem konventionellen Hochhaus. Die Luft wird gefiltert und ist dadurch fast schadstofffrei. Die Räume werden über den Boden belüftet; jeder Mitarbeiter kann die Temperatur individuell einstellen.Dächer und Freiflächen wurden konsequent begrünt. „Das ist in Deutschland beinahe eine Selbstverständlichkeit, aber in den USA noch ziemlich neu“, sagt Architekt Rick Cook, und es klingt fast ein wenig entschuldigend. „Aber ich denke, wir holen auf.“ Das gilt auch für andere „grüne“ Gebäudeeigenschaften.
Ein gasbetriebenes Blockheizkraftwerk im Keller von „One Bryant Park“ deckt rund zwei Drittel des Energiebedarfs. Das ist dreimal so effizient wie Strom aus dem allgemeinen Netz, haben die Architekten berechnet. Nachts wird mit Überschussenergie Eis gefroren, in 44 Großtanks. Tagsüber schmilzt es, die Kaltluft kühlt das Gebäude. Auf Wind- und Sonnenenergie haben die Planer hingegen verzichtet: Der Wind bläst im Hochhaus-Dickicht von Midtown Manhattan offenbar nicht stark genug, und Solarpaneele „hätten der Design-Idee des Gebäudes widersprochen“, sagt Architekt Robert Fox.

Fahrradstellplatz statt Autogarage
Eine Tiefgarage gibt es nicht, weil die U-Bahn-Anbindung so gut ist. „Nicht einmal der Vorstandsvorsitzende hat einen Parkplatz“, sagt Fox. Angeboten wird dafür „Bicycle Storage“, ein Stellplatz für Fahrräder – ein Novum im bisher nicht gerade fahrradfreundlichen Manhattan.
Der Tower ist ein Gemeinschaftsprojekt der Bank of America und der New Yorker Entwicklerfamilie Durst. Von den insgesamt 190 000 Quadratmetern belegen die Bank rund 140 000 und die Durst Organization 6 500 Quadratmeter, der Rest wird vermietet. An Interessenten mangelt es nicht: Das Gebäude ist schon seit Monaten ausgebucht. Neben Al Gore, dessen Firma in der 48. Etage 510 Quadratmeter belegen wird, hat der Avantgarde-Bau weitere Prominente angezogen, die sich als Trendsetter verstehen: der Modedesigner Elie Tahari beispielsweise mietet die komplette 50. Etage, 2 750 Quadratmeter. Der Fortschritt hat allerdings seinen Preis: Der Quadratmeter kostet zwischen 1 650 und 2 000 Dollar im Jahr – doppelt soviel wie die Durchschnittsmiete in Midtown Manhattan.
Schwindelerregend hoch sind auch die Baukosten. Einst mit einer Milliarde Dollar projektiert, sollen sie auf über 2,2 Milliarden gestiegen sein, heißt es in New Yorker Immobilienzirkeln. Die Umweltausrichtung des Gebäudes trägt daran offenbar die geringste Schuld: Die Architekten beziffern den „Öko-Aufschlag“ für grüne Technologie auf insgesamt 40 Millionen Dollar. Diese Kosten amortisieren sich angeblich innerhalb von fünf Jahren. Fox: „Wir arbeiten schließlich für Banker“ – soll heißen: Die können rechnen. Interessant wird freilich sein, wie sich die Unterhaltskosten für die Pioniertechnik entwickeln.
Für die Bank of America wird sich die Investition wohl trotzdem lohnen. Sie gilt in den USA als solide, aber auch ein wenig tranig. Mit dem innovativen Tower poliert sie ihr Image auf. Außerdem hofft sie auf Produktivitätssteigerung: Durch mitarbeiterfreundliche Extras wie Panoramafenster und dezentrale Klimaanlage soll die Leistung der rund 5 000 Angestellten um zehn Prozent steigen. Bis zu 100 Millionen Dollar jährlich könnte die Bank dadurch sparen, schätzen Experten.

Umweltsünder Amerika

  • Die USA ist in vieler Hinsicht ein Land der Superlative – auch beim Energieverbrauch und beim CO2-Ausstoß.
    Amerikaner verbrauchen fast ein Viertel der global genutzten Elektrizität, nämlich 3 817 Millionen Kilowattstunden (KWH) von insgesamt 16 380 Millionen KWH. Zum Vergleich: Deutschland verbraucht nur 549 Millionen KWH, selbst das bevölkerungsreiche China kommt mit 2529 Millionen KWH aus. Beim Primärenergieverbrauch pro Kopf liegt der weltweite Durchschnitt bei 21 100 KWH, ein Amerikaner konsumiert jedoch fast 100 000 KWH. Ein Deutscher benötigt 51 600 KWH, ein Chinese 15 000 und ein Inder nur 4 400 KWH.
  • Ein ähnliches Bild zeigt sich beim CO2-Ausstoß: Statistisch trägt jeder Weltbürger mit 4,5 Tonnen CO2 jährlich zum Klimawandel bei. Doch reicht die Spanne von einem Amerikaner mit 19,8 Tonnen bis zum Somali mit 0,08 Tonnen. Deutschland liegt mit 10,4 Tonnen im Mittelfeld noch deutlich vor
    China (4,6) und Indien (1,2 Tonnen).
  • Quelle: Amerikanische Behörde für die Energieinformation (EIA). Die Zahlen beziehen sich auf die Jahre 2006 beziehungsweise 2005 (Primärenergieverbrauch).

Umweltschützer Obama

  • Noch vor Beginn seiner offiziellen Amtszeit traf sich der neue US-Präsident Barack Obama zu einem langen Gespräch mit Umweltschützer und Nobelpreisträger
    Al Gore. Danach erklärte er unmissverständlich, dass er dem Klimawandel den Kampf ansagen will: „Die Zeit des Leugnens ist vorbei!“ Damit grenzt er sich von der Bush-Regierung ab, die eine Klimaveränderung jahrelang bestritten hatte. Obama will den CO2-Ausstoß der USA bis 2050 um 80 Prozent reduzieren, indem er grüne Energien fördert und die Produktion des Treib-hausgases verteuert.

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