Die Bedeutung des Putzens für ein gelingendes Leben wird meist noch verkannt. Andrea Tichy berichtet von ihren Erfahrungen mit Putzen als praktizierter Spiritualität.

Liebe ich putzen? Vor zwanzig Jahren hätte ich noch gesagt: „Ich verabscheue es!“ Nichts löste in mir ein ähnliches Unbehagen aus als die Vorstellung, mit Gummihandschuhen einen Putzlappen in einen Putzeimer auszuwringen. Putzen war eine Tätigkeit, die ich – wenn es nur irgend ging – zu vermeiden suchte. Meine Einstellung gegenüber dem Putzen begann sich zu verändern, als ich Bekanntschaft mit der Buchautorin Linda Thomas machte. Bei einem Vortrag im Rahmen eines Wasser-Symposiums von Hansgrohe beeindruckte mich die anthroposophische Putzexpertin, indem sie es schaffte, allein durch einen Sprühstoß aus einer Zerstäuberflasche und einem Mikrofasertuch einen hartnäckigen Fleck auf dem Teppichboden zu beseitigen. Ich war fasziniert: so einfach konnte also Putzen sein! Ich begann, mich mit den Erfahrungen der Gründerin einer ökologischen Putzfirma auseinander zu setzen und probierte ihre Empfehlungen aus.

Weniger ist mehr

Für Linda Thomas gilt beim Putzen die Devise: „Weniger ist mehr“. Die gebürtige Südafrikanerin selbst benutzte im Laufe der Jahre immer weniger Putzmittel. Für die normale Unterhaltsreinigung verwendet sie eigentlich nur noch drei Mittel: Reines Wasser für normale Verschmutzungen, Zitronensäure für Nassbereiche und Soda bei starken Fettrückständen. Dazu kommen Glasschaber zur Entfernung von Hartnäckigem. Auch Mikrofaser-Tücher dürfen in ihrer grünen Grundausstattung nicht fehlen. Linda Thomas empfiehlt, wo immer möglich, chemische Produkte durch mechanische und manuelle Verfahren zu ersetzen. „Die Menschen verlassen sich auf ungesunde chemische Produkte, um den Schmutz loszuwerden, anstatt am besten nur Wasser zu verwenden und dabei energisch mit den Händen zu wischen“, so Linda Thomas. Das kann der Umwelt jede Menge Belastungen ersparen, werden doch in Europa die meisten Abwasserverschmutzungen durch Privathaushalte, Schulen, Krankenhäuser oder Bürogebäude verursacht.
Linda Thomas sind Sprühflaschen mittlerweile so ans Herz gewachsen, dass sie sich für ihr neuestes Buch „Putzen Lieben?!“ sogar damit ablichten ließ. Denn mit  diesen Utensilien ist es unkompliziert, Verschmutzungen, wo immer man auf sie trifft, sofort aus dem Weg zu räumen. Einfach ein paar Pumpstöße auf den Schmutz richten, ein wenig warten und dann mit einem Mikrofasertuch engagiert rubbeln. Das funktioniert sogar bei Parkettböden, die nach Empfehlung von Linda Thomas ohnehin nur „nebelfeucht“ gewischt werden sollen. Diese Methode bringt wesentlich überzeugendere Ergebnisse als die übliche europäische Art, den Boden mit einem nassen Mopp oder Tuch auf einem langen Stock zu reinigen.

Pflegen statt putzen

Linda Thomas definiert den Unterschied zwischen Putzen und Pflegen folgendermaßen: „Wenn wir putzen, dann nehmen wir Dreck weg und das Resultat hält oft nicht mehr als fünf Minuten. Wenn wir aber versuchen, mit unserem vollen Bewusstsein und mit Liebe diese Arbeit zu tun, wenn wir versuchen, mit Hingabe jedes Eckchen mit unseren Fingerspitzen zu durchdringen, dann verwandeln wir das Putzen ins Pflegen.“ Heutzutage scheinen Menschen jedoch oft wenig Beziehung zu ihrem Umfeld zu haben. Verwahrlosung, Vandalismus oder Unverbindlichkeit sind die Folge. „Alles, was wir mit Bewusstsein und Liebe tun, erreicht eine neue Dimension. Wenn wir mit Liebe und Bewusstsein putzen, dann geschieht eine Steigerung, dann wird aus einem geputzten Raum ein gepflegter Raum“, schreibt Linda Thomas in ihrem lesenswerten Buch „Putzen!?“. Und die Veränderung vom Putzen zum Pflegen kann wahre Wunder wirken. So berichtet Linda Thomas von Fällen, in denen sich Stagnationen in Partnerschaften und in der Familie auflösen konnten, weil eine Person damit anfing, dem Pflegen mehr Bedeutung zu schenken.

Frühjahrsputz für die Seele

„Es braucht nicht immer ein stilles Zimmerchen, um etwas Gutes für die Seele zu tun“, so ist Linda Thomas überzeugt. Entrümpeln, Aufräumen und Putzen sind altbewährte Mittel, um auch innerlich wieder ins Lot zu kommen. Sobald die Sonne die Rückstände der Vergangenheit sichtbar macht – Spinnweben, Staubschichten, schmutzige Fenster – verspüren viele von uns ohnehin den Impuls, aktiv zu werden und Hand anzulegen. Und genießen hinterher oft eine große Zufriedenheit angesichts der sich einstellenden Seelenruhe. „Wie wunderbar es ist, zu putzen und sauberzumachen. Tag für Tag werden Herz und Geist klarer“, formuliert der buddhistische Meister Tich Nhat Hanh in seinen „Schritten der Achtsamkeit“. Das erinnert mich an ein fast vergessenes Erlebnis: Als Studentin hatte ich einige Zeit in einem Jugendkloster nach den Regeln des Heiligen Franziskus zugebracht. Teil des Tagesablaufs war es, bei der Arbeit zu helfen. Und weil keiner sich fürs Kloputzen fand, übernahm ich diesen ungeliebten Job. Nachdem ich die Toilettenanlagen bearbeitet hatte, fiel mein Blick zufällig in einen Spiegel und ich erkannte die Person, die mir entgegenblickte, kaum wieder. Erleuchtung beginnt wohl beim Kloputzen.

Linda Thomas macht den Fruehlingsputz.
Foto: Karl-Heinz Hug

Linda Thomas, Reinigungsfachfrau und Gründerin einer ökologischen Putzfirma, befasst sich seit Jahrzehnten mit dem Putzen und seinen – je nach Bewusstseinsgrad
und innerer Einstellung – unterschiedlichen Wirkungen.

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